Görls-Trainer Dirk Puschmann gratuliert Mathilde Thun zu ihrer überragenden Leistung mit 14 Toren.
Dem Görlitzer HC gelingt in einem Offensiv-Spektakel ein 45:38 über den bis dahin verlustpunktfreien HC Leipzig II. Zwei junge Spielerinnen machen den Unterschied.
Fast ungläubig zelebrierte der Görlitzer Stadionsprecher in der Schlussphase der Partie jedes Görlitzer Tor. Gegen die Zweitliga-Reserve des HC Leipzig, besetzt mit hochtalentierten Nachwuchs-Spielerinnen, die den Anschluss an das Bundesliga-Team schaffen sollen, hatten sich die Görls nach der 46. Minute Tor um Tor abgesetzt, fanden auf jede taktische Variante der Gäste eine Antwort und fuhren einen unerwarteten und letztlich sogar ungefährdeten Heimsieg ein. Die jungen Leipzigerinnen, die bislang jedes Spiel in dieser Regionalliga-Saison für sich entschieden hatten, ließen nach Spielende die Köpfe hängen, das eine oder andere Tränchen war zu sehen, während die Görls ausgelassen den Sieg feierten. Dass es so kommen würde, damit hatte vor Beginn dieser Partie wohl kaum jemand gerechnet und war das Verdienst einer insgesamt starken Mannschaftsleistung, aus der zwei junge Görlitzer Spielerinnen noch herausragten.
Das Spiel begann eher unglücklich aus Görlitzer Sicht, mit einer Zwei-Minuten-Strafe beim Leipziger Abschluss zum 0:1. Dass das die einzige Führung der Gäste im gesamten Spiel bleiben sollte, war da nicht zu erwarten, auch nicht, dass die Görls diese zwei Minuten Unterzahl auch ohne Torhüterin-Spielerin-Wechsel bei eigenem Angriff mit 3:0 gewinnen würden. Aber vorn fanden die Görls auch zu fünft immer wieder die Lücke, und hinten wehrte Marie-Luisa Ressel einen Ball nach dem anderen ab, brachte die Gäste teilweise zur Verzweiflung. Eine Folge: Die Leipzigerinnen verwarfen beim Stand von 8:5 gleich zwei Siebenmeter. Dass die junge Görlitzer Torhüterin das Duell gegen die etwa gleichaltrigen Sportschülerinnen aus Leipzig klar gewinnen würde, ist auch eine Geschichte dieses Spiels und war in der Analyse mitentscheidend. Und auch die in der zweiten Halbzeit eingewechselte Nicole Seidel hielt, zwei, drei Bälle, darunter einen Siebenmeter, bevor sie nach einer unglücklichen Aktion verletzt wieder vom Feld musste. Marie-Luisa Ressel war danach sofort wieder „on fire“.
Die Leipzigerinnen stellten schon frühzeitig in der ersten Halbzeit auf ein sehr offensives Abwehrsystem mit drei vorgezogenen Spielerinnen um. Tatsächlich taten sich die Görls damit teilweise schwer, fanden nicht schnell genug eine Fortsetzung und verloren den Ball. Insgesamt aber hatten sie vor allem eine „Waffe“. Mathilde Thun, die als körperlich große Linkshänderin auf Rechtsaußen begann, war von den Leipzigerinnen einfach nicht in den Griff zu bekommen. Wenn sie den Ball bekam, zog sie, den Platz hinter den drei offensiv deckenden Leipzigerinnen ausnutzend, immer wieder energisch Richtung Mitte und fand den Abschluss oder auch das Anspiel auf die nun heran laufenden Görlitzer Rückraumspielerinnen. Acht Tore gelangen ihr allein in der ersten Halbzeit, in deren Endphase die Görls auf 23:18 davonzogen, mit einem wichtigen Treffer von Wiktoria Szymczak eine Sekunde vor der Pause.
Dass die Leipzigerinnen noch nicht geschlagen waren, war allen klar. Sie spielten einen unglaublichen Tempohandball, suchten den Abschluss immer wieder sehr schnell und hatten ein ganzes Arsenal an Möglichkeiten: Starke Rückraumschützinnen, gute Außenspielerinnen, die trotz vieler Ressel-Paraden viele Tore erzielten, eine starke Kreisläuferin und vor allem viel individuelle Klasse. Schwächephasen durften die Görlitzerinnen sich nicht erlauben. Als es ein paar technische Fehler der an ihre konditionellen Grenzen geratenden Dauer-Rückraumspielerinnen der Görls zu viel wurden, dazu noch die eine oder andere freie Wurfmöglichkeit vergeben wurde, kamen die Leipzigerinnen wieder heran, auf 26:25 (38:), später auf 31:30 (47.). Was diesmal besonders war: Die Görls ließen sich nicht aus dem Konzept bringen. Die jungen Mathilde Thun, die auch der Leipziger Mannschaft gut zu Gesicht stehen würde, entlastete seit der 25. Minute ihre Mitspielerinnen im Rückraum hervorragend, kam auf weitere sechs Treffer und war damit die zweite Görlitzer Matchwinnerin. Auch Celina Bräuer zeigte mit acht Treffern von Linksaußen eine Klassepartie, auf Marzena Hochman (9) und Izabella Rzeszotek (8) war sowieso Verlass.
Die Görlitzerinnen sind mit diesem Sieg über den Spitzenreiter auf Kurs Platz drei. Klar ist auch: Dieser Sieg ist nur etwas wert, wenn die Görlitzer Handballerinnen auch am kommenden Sonntag nach dem Spiel in Leipzig-Mockau wieder im Siegerkreis tanzen.
◾ Görlitzer HC: Ressel, Seidel – Rzeszotek (8), Hochman (9), Bräuer (8), Thun (14/1), Puschmann (1), Neumann (2/1), Arvai, Eckhardt, Szymczak (3)
Text: Frank Thümmler, SZ, 25.11.2024
Fotos: H.-E. Friedrich Fotos GHC – Leipziger HC II
Spielimpressionen: Damenstift Gorlicium
Spielimpressionen GHC – HC Leipzig II