Gegen Chemnitz liegen die Görls schon weit zurück – und führen 15 Sekunden vor Schluss.
Mehr Dramatik geht nicht – und das im absoluten Spitzenspiel der Mitteldeutschen Handball-Oberliga der Frauen zwischen den Görls vom Görlitzer HC und den Gästen des HV Chemnitz. Elf Minuten vor Schluss führten die Chemnitzerinnen, die nach Personalproblemen zu Saisonbeginn mit fünf Siegen am Stück eine Aufholjagd in der Tabelle gestartet hatten, mit 23:18. Aber die Görls gaben wie schon eine Woche zuvor, als sie einen ähnlichen Rückstand in der Schlussphase noch zum Sieg gedreht hatten, einfach nicht auf.
„Wir konnten mit einigen Wechseln noch einmal mehr Druck aufbauen und sind gegen die hart verteidigenden Chemnitzerinnen auch mehr in die Tiefe gegangen, sind den Fouls nicht mehr aus dem Weg gegangen“, erklärte Görls-Trainer Dirk Puschmann den Wendepunkt. Die Schiedsrichter bestraften die immer wiederkehrenden Fouls der Gäste mit vier Zeitstrafen hintereinander. Und diesmal spielten die Görlitzerinnen ihre Überzahl immer wieder gut aus, schafften dreieinhalb Minuten vor Schluss den Ausgleich. Als eine Minute vor Abpfiff der Ball zur ersten Führung seit der 20. Minute im Tor landete, stand die Halle Kopf – erst recht, als die Görls beim vermeintlich letzten Angriff der Gäste den Ball eroberten.
Die Görlitzerinnen versuchten nun, die Zeit auszuspielen. Dann die im Nachhinein mitentscheidende Szene: Ein Schiedsrichter hob den Arm für drohendes Zeitspiel, der andere (noch) nicht. Puschmann nahm seine Auszeit. „Ich hatte nur den Schiedsrichter gesehen, der den Arm nicht gehoben hatte, und meine Mannschaft dementsprechend eingestellt. Aber sofort mit Wiederanpfiff kam der Zeitspiel-Arm wieder. Das war wohl ein Fehler der Schiedsrichter, den sie im Nachhinein auch einräumten.“ So mussten die Görls sehr schnell abschließen, Jenny Lindner nahm sich den Wurf und traf den Innenpfosten – Pech. Beim Tempogegenstoß pritschte Marzena Hochman den Ball mit der Schlusssirene weg, alle jubelten schon. Aber die Schiedsrichter gaben noch einen Freiwurf, der direkt ausgeführt werden musste. Der Ball wurde von der Mauer abgefälscht und flog ins Tor – noch mal Pech. So endete das Spiel 25:25.
Trauer über den zerronnenen Sieg oder Jubel über den Punkt nach Fünf-Tore-Rückstand? „Eindeutig Jubel“, sagte Puschmann, „es war erneut ein toller Erfolg der Moral“. Dabei war der Trainer lange Zeit nicht zufrieden mit seiner Mannschaft. In der ersten Halbzeit hatte Görlitz große Probleme vor allem im Positionsangriff, ließ sich von der Härte der Chemnitzerinnen, die oft an der Grenze des Erlaubten war, zu sehr beeindrucken. Dass der Rückstand zur Pause nur ein Tor betrug (13:14), war angesichts dessen noch gut. Und die ersten zehn Minuten nach der Pause waren eine „Katastrophe“, wie Puschmann es nannte. Da zogen die Gäste auf sechs Tore davon.
Großen Anteil daran, dass das Spiel nicht schon vorentschieden war und die Görls wieder herankamen, hatte Torhüterin Natallia Tsvirko, die erneut eine starke Leistung zeigte und mehrere wichtige Bälle abwehrte. Jetzt freuen sich die Görls auf drei spielfreie Wochenenden.
Görls: Tsvirko, Ressel – A. Neumann (5), Hochman (9/3), Hamann, Podsiadlo (1), Pirog, Lindner (1), Klegrova (4), C. Neumann, Blasczcyk (2), Zychniewicz, Girbig (3/1)
Bericht: Frank Thümmler, SZ 12.12.2022
Fotos: H.-E. Friedrich